zurück
Systemrelevant Folge 179 Sebastian Dullien über den aufgeblähten Sozialstaat Podcasts

Systemrelevant Podcast: Hat Deutschland einen aufgeblähten Sozialstaat?

Sebastian Dullien geht der Frage nach, ob der deutsche Sozialstaat sich ausbreitet, übermäßig viel kostet und wie dies sich im Vergleich zu anderen Staaten verhält.

[21.02.2024]

Alle wollen derzeit die deutsche Wirtschaft retten – nur auf unterschiedlichen Wegen. Einige sehen als Lösung einen Abbau des Sozialstaats. Dieser sei aufgebläht. Marco Herack und Sebastian Dullien überprüfen diese Argumentation, gehen den Fakten auf den Grund und diskutieren die unterschiedlichen staatlichen Sozialausgaben.

Dullien, Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), erläutert eingangs, was Sozialausgaben alles umfassen. Die größten Ausgaben lägen im Gesundheitswesen und bei den Renten. Die Bereiche, in denen mögliche Kürzungen der Sozialausgaben diskutiert werden können, betrachtet er kritisch, da es letztendlich um gar keine so große Posten geht.

Bei internationalen Vergleichen sollte berücksichtigt werden, dass einige Länder private Krankenversicherungen haben, was die Quote beeinflusst. Die Diskussion über die Staatsquote zeigt, dass Deutschland im Vergleich keine übermäßig hohe staatliche Belastung hat. Dullien betont, dass die Diskussion um die Sozialausgaben oft gar nicht auf realistischen Annahmen beruht, sondern vielmehr moralische Überlegungen wie der Überzeugung, dass diese Art von Ausgaben einfach eine Geldverschwendung wären, basiert.

Die Entwicklung der Sozialausgaben und der Staatsquote wird seit den 1990er Jahren als weitgehend stabil betrachtet. Kritiken an der vermeintlichen Ausweitung des Staates oder der öffentlichen Beschäftigung werden mit Fakten über die Bevölkerungszunahme und den insgesamt relativ geringen Anstieg der Staatsquote konfrontiert. Wieso die Diskussionen leider hierzu immer wieder entgleisen und manche Kritiker Zahlen selektiv benutzen – in der neuen Folge Systemrelevant.

Dr. Irene Becker hat in ihrer von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Studie ein angemessen hohes soziokulturelles Existenzminimum berechnet und festgestellt, dass das Niveau der Kindergrundsicherung je nach Alter der Kinder um 6 bis 30 Prozent höher sein müsste als nach der gesetzlichen Bedarfsermittlung.

Beckers Reformvorschlag sieht vor, die Konsumausgaben der gesellschaftlichen Mitte als Bezugspunkt zu nehmen. So wäre es nach Analyse der Armutsexpertin etwa plausibel, soziokulturelle Teilhabe als gerade noch gegeben zu definieren, wenn Haushalte bei den Ausgaben für Grundbedürfnisse wie Ernährung, Bekleidung und Wohnen nicht mehr als 25 Prozent und bei sonstigen Bedürfnissen nicht mehr als 40 Prozent von der Mitte nach unten abweichen. Damit lebt die Referenzgruppe zwar deutlich unter der gesellschaftlichen Mitte, hätte aber noch mehr Teilhabemöglichkeiten als bei der bisherigen Berechnung, die den Kindern und damit letztlich der gesamten Gesellschaft schadet.

Moderation: Marco Herack

Alle Informationen zum Podcast

In Systemrelevant analysieren führende Wissenschaftler:innen der Hans-Böckler-Stiftung gemeinsam mit Moderator Marco Herack, was Politik und Wirtschaft bewegt: makroökonomische Zusammenhänge, ökologische und soziale Herausforderungen und die Bedingungen einer gerechten und mitbestimmten Arbeitswelt – klar verständlich und immer am Puls der politischen Debatten.

Alle Folgen in der Übersicht

Systemrelevant hören / abonnieren:

Sebastian Dullien auf X
Ernesto Klengel auf X
Bettina Kohlrausch auf X
Daniel Hay / I.M.U. auf X
Christina Schildmann

Zugehörige Themen

Der Beitrag wurde zu Ihrerm Merkzettel hinzugefügt.

Merkzettel öffnen