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IMK Ausblick 2023

Prognosen des IMK: So wird 2023

Einschätzungen zur ökonomischen Entwicklung von Forscherinnen und Forschern des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung

[23.12.2022]

Reichen die Maßnahmen der Bundesregierung, die deutsche Wirtschaft 2023 vor einer Rezession zu bewahren?

Sebastian Dullien: Nein. Die deutsche Wirtschaft wird wahrscheinlich zur Jahreswende 2022/3 eine Rezession erleben. Allerdings tragen die Maßnahmen der Bundesregierung dazu bei, dass diese Rezession deutlich milder ausfallen wird, als das ohne Eingriffe der Fall gewesen wäre. Insbesondere die Energiepreisbremsen dämpfen spürbar die Inflation und stützen die Kaufkraft. Um die Rezession zu verhindern, hätten sie aber früher in Kraft gesetzt werden müssen. 

  • Zitat Dullien 2023

Wird die deutsche Inflation weiter über 10 Prozent bleiben?

Silke Tober: Nein, ohne neue Preisschocks, wie sie die Teuerung 2022 auf Höhenflüge schickte, dürfte die Inflation in Deutschland im Jahr 2023 weit unter 10 % liegen. Der Höhepunkt der Inflation dürfte im November 2022 erreicht worden sein. Die Übernahme der Abschlagzahlung für Gas und Fernwärme dämpft die Inflationsrate im Dezember 2022 und die Gaspreisbremse ab Januar 2023 verhindert, dass der der starke Anstieg der Gas-Großhandelspreise voll auf die Verbraucherpreise durchschlägt. Zudem deuten die Zukunftsmärkte auf niedrigere Rohölpreise hin. Da sich bisher keine Zweitrundeneffekte in Form übermäßiger Lohnsteigerungen abzeichnen, dürften die Inflationsraten insbesondere ab März 2023 merklich fallen. Die sich allmählich auflösenden Lieferengpässe werden die Preisentwicklung dämpfen. Nennenswerte Risiken stellen weiterhin der Ukrainekrieg und die Energiepreise dar.  

  • Silke Tober

Wird die deutsche Regierung die Schuldenbremse 2023 erneut aussetzen?

Katja Rietzler: Nein. Die Schuldenbremse des Bundes wird im Jahr 2023 nach einer dreijährigen Aussetzung infolge der Corona-Pandemie erstmals wieder eingehalten. Dass die Neuverschuldung des Kernhaushalts trotz umfangreicher Entlastungsmaßnahmen in der Energiekrise und zusätzlicher sonstiger Ausgaben den zulässigen Maximalbetrag von 45,6 Mrd. Euro nicht überschreitet, ist primär auf Operationen mit Rücklagen und Sondervermögen zurückzuführen. So wird zum einen für die Stabilisierung des Kernhaushalts im Umfang von 40,5 Mrd. Euro auf die allgemeine Rücklage (Bestand Ende 2022: 48,2 Mrd. Euro) zurückgegriffen. Zum anderen wurde ein erheblicher Teil der fiskalischen Maßnahmen in Sondervermögen ausgelagert, die während der pandemie-bedingten Aussetzung der Schuldenbremse insgesamt mit kreditfinanzierten Rücklagen in dreistelliger Milliardenhöhe ausgestattet wurden. Bei der Verausgabung werden diese Mittel nicht mehr bei der Schuldenbremse berücksichtigt. 

  • So wird 2023 Zitat Rietzler

Wird ab dem Frühjahr 2023 die Sorge um eine Gasmangellage endgültig der Vergangenheit angehören?

Tom Bauermann: Leider noch nicht. Die Wahrscheinlichkeit einer Gasmangellage ist in den letzten Monaten zwar gesunken. Der Erdgasverbrauch Deutschlands war im Herbst niedriger als in den Jahren zuvor und die Speicher sind noch gut gefüllt. Dazu haben allerdings auch ungewöhnlich milde Temperaturen bis in den November beigetragen. Hinzu kommt, dass Deutschland im kommenden Jahr zusätzliche LNG-Kapazitäten zur Verfügung stehen werden, wodurch sich die Versorgungslage verbessert. Auch andere europäische Länder werden 2023 zusätzliche LNG-Terminals eröffnen. Es bleiben aber gewichtige Unsicherheitsfaktoren wie die Entwicklung der globalen Nachfrage sowie die Temperatur- und Marktpreisentwicklung, insbesondere aufgrund möglicher neuer geopolitischer Schocks. 

  • So wird 2023 Zitat Tom Bauermann

Wird die Rezession 2023 zu einem spürbaren Anstieg der Arbeitslosigkeit führen?

Alexander Herzog-Stein: Ja, durch die Rezession wird die Arbeitslosigkeit 2023 anfangs weiter zunehmen. Kurzarbeit dürfte aber wiederum Beschäftigung sichern und einen stärkeren Anstieg der Arbeitslosigkeit verhindern. Mit dem sich verbessernden wirtschaftlichen Umfeld wird die Arbeitslosigkeit dann in der zweiten Jahreshälfte aber wieder zurückgehen. Im Jahresdurchschnitt 2023 dürfte die Arbeitslosigkeit bei 5,7 % liegen, nach 5,3 % im Jahr 2022. 

  • So wird 2023 Zitat Alexander Herzog-Stein

Fallen 2023 die Preise für deutsche Wohnimmobilien?

Thomas Theobald: Ja, durch die Zinswende sind auch die Zeiten immer weiter steigender Wohnimmobilienpreise erstmal vorbei. Einige Indikatoren, wie der Immobilienpreisindex des Verbandes deutscher Pfandbriefbanken, zeigen für das dritte Quartal 2022 zum ersten Mal seit über zehn Jahren etwas geringere Preise als im Vorquartal. Dieser Trend wird sich auch 2023 fortsetzen, weil die deutlich gestiegenen Finanzierungskosten die Nachfrage dämpfen. Da es aber vorerst auch noch Engpässe auf der Angebotsseite gibt, dürften die Preisrückgänge noch moderat ausfallen.    

  • So wird 2023 Zitat Thomas Theobald

Wird die EU-Kommission die Mitgliedsstaaten mit hohen Defiziten 2023 zu Austerität zwingen?

Sebastian Watzka: Nein, davon ist derzeit nicht auszugehen. Das fiskalische Regelwerk der EU bleibt bis Ende 2023 außer Kraft gesetzt. Erst ab 2024 soll ein bis dahin reformiertes Regelwerk wieder greifen. Dazu hat die EU-Kommission im November eine erste Orientierung gegeben, die einen wichtigen Fokus hin zu Ausgabenregeln beinhaltet. Unsere Simulationen zeigen, dass die Ausgestaltung einer solchen Ausgabenregel nicht trivial ist und dass es insbesondere zu vermeiden gilt, dass Länder ihre öffentlichen Ausgaben zu schnell und zu stark senken müssen. 

  • So wird 2023 Zitat Sebastian Watzka

Wird sich das handelspolitische Klima zwischen den USA und der EU weiter entspannen?

Sabine Stephan: Leider nein. So hat die EU kürzlich den USA wegen des Inflation Reduction Acts (IRA) mit einer WTO Klage gedroht. Der IRA ist ein großes Investitions- und Förderprogramm, das in den USA die Inflation reduzieren, die sozial-ökologische Transformation vorantreiben und die Schaffung gut bezahlter Industriearbeitsplätze unterstützen soll. Die Förderung in Form einer Steuergutschrift ist an bestimmte Auflagen gebunden, wie z.B. eine angemessene Entlohnung der Beschäftigten, die Anzahl der Auszubildenden oder Investitionen in einkommensschwachen Regionen. Anstatt zu grollen, sollte die EU ihrerseits das Instrument der aktiven Industriepolitik nutzen, um die Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft in Europa erfolgreich zu gestalten.

  • So wird 2023 Zitat Sabine Stephan

Wird die Regierung 2023 ihrem Ziel, pro Jahr 400,000 neu gebaute Wohnungen in Deutschland zu erreichen, näher kommen?

Carolin Martin: Nein, das ist nicht zu erwarten. Durch steigende Baukosten und Bauzinsen, Lieferengpässe bei Baumaterialien, Handwerkermangel und langsame Genehmigungsverfahren wird die Zahl neu gebauter Wohnungen 2023 voraussichtlich sogar weiter sinken. Waren es im Jahr 2021 noch 293.000 neu gebaute Wohnungen, so wird für 2022 mit 250.000 Neubauwohnungen gerechnet.  Derzeit ist die Zahl der Baugenehmigungen stark rückläufig. Da auch im nächsten Jahr nicht von einer Entspannung der Lage im Bausektor auszugehen ist, wird die Bundesregierung das Ziel der 400.000 neu gebauten Wohnungen wohl um etwa die Hälfte verfehlen. Ob die im „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ beschlossenen Maßnahmen greifen und zumindest das Ziel von 100.000 Sozialwohnungen erreicht wird, bleibt abzuwarten. 

  • So wird 2023 Zitat Carolin Martin

Wird die EZB ihre Zinserhöhungen mit gleichem Tempo 2023 fortsetzen?

Silke Tober: Nein, aus heutiger Sicht ist es unwahrscheinlich, dass die EZB die Zinsen 2023 in unvermindertem Tempo weiter erhöht. Im Jahr 2022 hat die EZB die Leitzinsen innerhalb von nur fünf Monaten um 2,5 Prozentpunkte angehoben, obwohl die Wirtschaft des Euroraums an der Schwelle zu einer Rezession stand. Selbst wenn die Wirtschaftsschwäche weniger gravierend ausfällt als erwartet – nicht zuletzt wegen der Stabilisierungsmaßnahmen der Regierungen – dürften die geldpolitischen Zinsen im Euroraum nur noch ein bis zwei Mal um jeweils 0,5 Prozentpunkte erhöht werden. Käme es allerdings wider Erwarten zu nennenswerten Zweitrundeneffekten bei den Löhnen, müsste die EZB die Zinsen merklich stärker anheben, um ihr 2-Prozentziels in der mittleren Frist zu erreichen.  

  • Silke Tober

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